Das unterschätzte Wohnungsmarktsegment


Eine Kurzstudie zum Wohnungsmarkt in Hamburg hat es an den Tag gebracht: Es existiert ein überraschend hoher Anteil möblierter Wohnungen an allen Angebotswohnungen im ersten Quartal 2016. Dabei zeigt sich, dass deren Durchschnittsmieten um 60 Prozent höher liegen als bei vergleichbaren Wohnungen ohne Möblierung. Auch die Mietpreisbildung vollzieht sich faktisch in einer Grauzone und weitgehend außerhalb der geltenden Miethöheregulierungen.
 
Henri Thierbault, Geschäftsführer eines französischen Technologieunternehmens, hat ein vielversprechendes deutsches StartUp gekauft. Nun möchte er seinen Chefentwickler vorübergehend nach Deutschland schicken, um das Unternehmen besser in den Mutterkonzern zu integrieren. Geplant sind sechs Monate Aufenthalt. Ein Hotelzimmer wäre in der Dauermiete zu teuer und für den Chefingenieur zu beengt. Die rechtlichen Probleme, z.B. in Berlin, um Wohnungen, die via Internetportal illegal als Feriendomizile oder Appartements für Geschäftsreisende angeboten werden, haben für Verunsicherung gesorgt. Der Ausweg: Eine möblierte Wohnung im Kurzzeitmietverhältnis.

 

Was früher nach einem muffigen Hinterzimmer für Handelsreisende klang, liegt heute im globalen Mobilitätstrend. Das spiegelt sich auch im deutlich gewachsenen Angebot von möbliertem Wohnraum in den deutschen Großstädten wider. Die wichtigsten Nachfragergruppen sind vor allem Geschäftsreisende und Studierende. Die Nachfrage nach möbliertem Wohnraum hängt also damit zusammen, dass die Aufenthaltsdauer während eines Lebensabschnittes bzw. eines Geschäftsaufenthalts an einem bestimmten Ort zeitlich derart begrenzt ist, dass sich ein „richtiger“ Umzug aufgrund der ohnehin angespannten Wohnungsmarktlage in den großen deutschen Städten nicht lohnen würde.
 
Dennoch wollen die Interessenten nicht auf den Komfort und den Freiraum einer eigenen Wohnung verzichten, zumal möblierter Wohnraum mittel- und langfristig günstiger ist als ein Hotelaufenthalt. Oftmals werden neben der Bereitstellung des Wohnraums Zusatzleistungen wie Wäsche-, Putz- oder Concierge-Service angeboten, sodass man sich um diese Alltagsbesorgungen nicht kümmern muss.
 
Beispiel Hamburg
Der Wohnungsmarkt in Hamburg ist durch eine hohe Nachfrage mit steigenden Mieten gekennzeichnet, die das Angebot – wie aktuell in allen wirtschaftlich prosperierenden Ballungsräumen – weit übersteigt. Zur Analyse der aktuellen Marktbedingungen wurden Wohnungsanzeigen in Hamburg im Zeitraum vom 01.01.2016 – 31.03.2016 untersucht und anschließend projektbezogen gefiltert. Demnach wurden im genannten Zeitraum 941 möblierte Mietwohnungen mit 1-3 Zimmern und einer Maximalgröße von 65 Quadratmetern inseriert. Dem gegenüber stehen mit 1.938 unmöblierte Wohnungen zwar die doppelte Anzahl angebotener Objekte. Jedoch zeigt der Anteil von rund einem Drittel die erhebliche Marktbedeutung des Segmentes möblierter Wohnungen in der Größenklasse der mittelgroßen Wohnungen (Tabelle 1).
 

Vergleich des Gesamtangebotes, © F+B 2016

Vergleich des Gesamtangebotes, © F+B 2016

 

Der überraschend große Anteil inserierter möblierter Wohnungen kann zum Teil dadurch erklärt werden, dass die Verfügbarkeit eines möblierten Objektes auf dem Markt aufgrund der hohen Mieterfluktuation wesentlich häufiger ist als bei nicht möblierten Objekten.

 

Erheblich höhere Mieten als für unmöblierte Wohnungen
Die Durchschnittsmiete aller 2.250 untersuchten Wohnungen lag bei rund 17 Euro je Quadratmeter. Das Bild ändert sich radikal, betrachtet man jedes Segment für sich: Während nicht möblierte Wohnungen bei Neuvermietungen im ersten Quartal 2016 in Hamburg für durchschnittlich 12,47 Euro je Quadratmeter angeboten wurden, liegen die Angebotsmieten möblierter Wohnungen bei 19,90 Euro, also um 60 Prozent darüber. Dies liegt zum einen daran, dass möblierte Wohnungen schwerpunktmäßig in der Innenstadt angeboten werden und dort die Mieten sowieso überdurchschnittlich hoch sind, zum anderen daran, dass möblierte Wohnungen eher kleiner sind als nicht möbliert vermietete. Kleinere Wohnungen sind generell pro Quadratmeter erheblich teurer als größere Wohnungen - sieht man von den überdurchschnittlich hohen Mieten luxuriöser Wohnungen ab, die von diesem Trend abweichen.
 
Schließlich wurden die Objekte nach Baualtersklassen (vor 1918, 1919-1948, 1949-1968, 1969-1990, 1990-2013, ab 2014), in verschiedene Ausstattungsniveaus (unterdurchschnittlich, normal, hochwertig, Luxus) und nach Preis in Euro je Quadratmeter sortiert. Dabei ist zu beobachten, dass das Baualter der Immobilien bei möbliertem Wohnraum nur geringe bis gar keine Relevanz für die Höhe des Mietpreises hat. Die im Schnitt teuersten Wohnungen befinden sich in der Baualtersklasse von 1949-1969 mit einem Quadratmeterpreis von 22,10 Euro. Interessanterweise ist dies genau die Baualtersklasse, welche bei unmöbliertem Wohnraum die geringsten Mieten erzielt (11,41 Euro/Quadratmeter). Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass bei etwas weniger als einem Drittel der untersuchten Fälle aufgrund fehlender Daten keine Baualtersklassifizierung erfolgen konnte.
Ein ausgeprägter Zusammenhang lässt sich dagegen bei der Zimmeranzahl der Wohnungen und der Höhe des Quadratmeterpreises erkennen. Unabhängig von der Baualtersklasse werden bei möblierten Wohnungen die höchsten Preise bei den Einzimmerwohnungen erzielt (Tabelle 2).

 

Zusammenhang von Größe der Wohnung und dem Quadratmeterpreis

Zusammenhang von Größe der Wohnung und dem Quadratmeterpreis, F+B GmbH 2016

Größe der Wohnungen und Auswirkung auf den Quadratmeterpreis, © F+B 2016

 

Die Spanne der mittleren Quadratmeterpreise nach Zimmeranzahl kann sich innerhalb einer Baualtersklasse auf bis zu 10 Euro/Quadratmeter belaufen (Baualtersklasse 1969-1990). Da die Differenz innerhalb einer Baualtersklasse bei möblierten Wohnungen deutlich größer ist als bei unmöblierten, liegt es nahe, dass nicht nur die Zimmeranzahl, sondern auch der Standard der Möblierung als Einflussfaktor zu werten ist. Das gleiche Bild zeichnet sich ab, wenn man die Angebote unabhängig von der Zimmeranzahl nach Quadratmetern analysiert: Die auf den Quadratmeter gerechnet teuersten möblierten Wohnungen sind kleiner als 25 Quadratmeter (22,77 Euro/Quadratmeter). Je größer die Wohnung wird, desto niedriger wird der zu entrichtende Preis pro Quadratmeter (Größenklasse 25-40 Quadratmeter: 21,88 Euro; Größenklasse 41-65 Quadratmeter: 18 Euro). Dies könnte damit zusammenhängen, dass unabhängig von der Wohnungsgröße und Zimmeranzahl ein gewisser Grundstock an Einrichtungsgegenständen in jeder möblierten Wohnung vorhanden ist, dessen Anschaffungskosten sich in kleineren Wohnungen deutlicher auf den Quadratmeterpreis auswirken als bei größeren Wohnungen.

 
Vorteile der Möblierung für Vermieter
Möblierte Wohnungen unterliegen formal den Miethöheregulierungen und Kündigungsfristen des BGB. Es sei denn, die Wohnung ist nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet oder der (teil-)möblierte Wohnraum gehört zu einer vom Vermieter selbst genutzten Wohnung (§ 549 Abs. 1 und 2 BGB). Will der Vermieter die Miete für eine möbliert vermietete Wohnung erhöhen, kann er nach Angaben des Deutschen Mieterbundes auf die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel noch einen Möblierungszuschlag vornehmen (LG Berlin 63 S 365/01). Dabei ist bei der Bewertung des Möblierungszuschlages auf den Zeitwert der Möbel zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens abzustellen. Das Landgericht Berlin ging von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer der Möbel von zehn Jahren aus. Als Zuschlag wurden linear zwei Prozent des Zeitwertes angesetzt. Faktisch ist aber die Überprüfung der angemessenen Möblierungszuschläge und die juristische Beurteilung des „vorübergehenden Gebrauchs“ so aufwändig, dass die Preisbildung weitgehend Angebot und Nachfrage unterworfen ist. Dies gilt auch für die Mietpreisbremse und insbesondere dann, wenn kein qualifizierter Mietspiegel existiert. Damit erzielen Vermieter nicht nur höhere Mieten bei einer Neuvermietung, sondern sie können zusätzlich wegen der kürzeren Mietdauer die Preise häufiger an das aktuelle Marktniveau anpassen. Viele Investoren setzen auf einen wachsenden Bedarf in diesem Segment.
 
Auf Wunsch kann die Methodik auf jeden beliebigen Standort bzw. auf eine Region übertragen werden. Die Kurzstudie ist also ein ideales Instrument für Investoren, z. B. von möblierten Mikro-Apartments, das bestehende Angebot an möblierten Wohnungen sowie das Preisniveau abzuschätzen.

 

Ansprechpartner

Zurück zur Übersicht